Das Image der maritimen Branche ist in den Augen vieler Jugendlicher kein gutes, stellten die Teilnehmenden des deutsch-niederländischen Workshops „Young Talents“ im Rahmen des INTERREG-Projekts MariX in Sneek am 11. Mai 2022 fest.
Die Ausbildungs- und Studierendenzahlen sind seit Jahren rückläufig. Schiffe seien „schmutzig“ und „schädigen der Umwelt“, Vorstellungen über veraltete Strukturen und Technologien erschweren die Gewinnung von Nachwuchs für die Branche. So mancher glaube beispielsweise, so Martin Deymann, Geschäftsführer der gleichnamigen Binnenschifffahrtsreederei, auf einem Binnenschiff gäbe es weder eine Küche noch ein Bad und die Besatzung schliefe in Hängematten. Dabei seien moderne Schiffe heutzutage hochtechnologisch ausgestattet und quasi „schwimmende Serverräume“, bestätigte Gerd Wessels, der den Bereich Seeschifffahrt beim Workshop vertrat.
Diese Unkenntnis kommt jedoch nicht von ungefähr: Vor allem durch die Ermangelung von Technikunterricht im deutschen Bildungssystem und die fehlende Berücksichtigung der Branche im Schulunterricht entstehen Wissenslücken. Genau hier setzt das Projekt MariX an und bietet sowohl theoretisches als auch praktisches maritimes Unterrichtsmaterial, das in den Schulunterricht implementiert werden soll. Der Einsatz und die Evaluierung altersgerechten und innovativen Unterrichtsmaterials, u.a. in Form eines Modellbootes aus dem 3D-Drucker, in Verbindung mit spannenden theoretischen Arbeitsaufträgen und Challenges sowie maritimen Berufsinformationsvideos von „Young Professionals“ beiderseits der Grenze mittels einer App mit faszinierenden AR-Features sollen das Interesse an maritimen Technologien und Berufsbildern wecken und langfristig festigen. Primär richten sich die entwickelten Projektinhalte an Kinder beider Länder im Alter von 12 bis 14 Jahren. Natürlich lassen sie sich auch für höhere Altersgruppen erweitern. Im schulischen Technikunterricht oder in Arbeitsgemeinschaften werden den SchülerInnen maritime Inhalte mithilfe von insgesamt zwölf Unterrichtseinheiten nähergebracht.
Unter anderem von der Fertigung von Schiffen über die Arbeit in der Binnenschifffahrt bis hin zur Navigation auf hoher See werden Einblicke in die zahlreichen Berufsbilder rundum das Thema Schifffahrt und Schiffbau geboten.
Neben MariX gibt es aber auch zahlreiche weitere Initiativen und Projekte, die sich um „Young Talents“ bemühen und im Rahmen des Workshops vorgestellt wurden. Dazu zählen beispielsweise die Initiative „MachMeer“, koordiniert durch die Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt e.V. (BBS) in Bremen, das Programm „Quinwalo Plus“ der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer oder aber die „Young Solar Challenge“ der gleichnamigen niederländischen Stiftung.
„MachMeer“ informiert über Ausbildungsberufe in der maritimen Branche und zeigt vielseitige Karrieremöglichkeiten und deren Zugangsvoraussetzungen, Verdienstmöglichkeiten und Einsatzbereiche zusammengefasst auf. Junge Menschen können sich so vor Ausbildungsbeginn ein genaues Bild von zahlreichen Berufen im maritimen Bereich machen.
„Quinwalo Plus“ ist eine Weiterführung des Programms „Quinwalo“ (Qualification Inland Waterway Logistics) und zielt darauf ab, den Verkehr auf inländischen Wasserstraßen als umweltfreundliche und kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Verkehrsträgern wie LKW oder Bahn zurück ins Gedächtnis zu rufen. Fach- und Führungskräfte von morgen sollen frühzeitig für die Vorteile und Chancen der Binnenschifffahrt sensibilisiert werden und können diese anhand von visualisiertem Unterrichtsmaterial erkennen.
Die „Young Solar Challenge“ möchte Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren für die maritime Technik begeistern. Die Kinder bauen in kleinen Teams an solarbetriebenen Modellbooten, mit welchen sie im Schnelligkeitswettbewerb gegen andere Teams antreten. Ziel ist es, die Kinder durch die Kombination von Theorie, Praxis und Wettbewerb spielerisch für nachhaltige Technologien und den Schiffbau zu begeistern.
„Durch diese Initiativen gibt es verschiedene vielversprechende Ansätze für die Gewinnung von Nachwuchs – erfolgreich können diese aber nur sein, wenn diese nicht nur punktuell umgesetzt werden, sondern ein umfassender Ansatz verfolgt wird“, so Verena Ohms von Nederland Maritiem Land. Sie spricht sich für eine bessere Kooperation der verschiedenen Stakeholder aus und ist erfreut, dass das Projekt MariX eine Basis für diesen Austausch bietet. „Lasst uns Visionen über die Zukunft der Schifffahrt und des Schiffbaus entwickeln“, so Prof. Kapitän Michael Vahs von der
Hochschule Emden/Leer.
Wie sieht das Schiff der Zukunft aus? Wie wird es umweltfreundlich angetrieben? Wie lässt sich die Branche mit dem gestiegenen Anspruch an Work-Life-Balance in Einklang bringen? Die Workshop-Teilnehmer möchten gemeinsam Antworten auf diese Fragen liefern und diese in ein zielgruppenorientiertes Marketing überführen, um ein langfristiges Interesse junger Menschen zu schüren.
Wie solch ein innovativ angetriebenes Schiff aussehen kann, durften die Workshopteilnehmenden am Ende der Veranstaltung erfahren. Festgemacht hatte die „Ecolution“, ein Segelschiff mit Wasserstoff-Antrieb. Dieses konnte auch durch rund 50 Studierende beiderseits der Grenze besucht werden, die in einer Parallelveranstaltung zum „Young Talents Workshop“ eine Präsentation zu den Themen Antriebstechnologien und Augmented Reality erhielten sowie zudem die Ausbildungswerft bei ROC Friese Poort besichtigten.
Das Projekt MariX wird im Rahmen des INTERREG VA Programms Deutschland-Nederland mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und von den Provinzen Drenthe, Fryslân und Groningen sowie vom Land Niedersachsen kofinanziert.
Es wird begleitet durch das Programm-Management INTERREG bei der Ems Dollart Region (EDR) und von der MARIKO GmbH sowie FME koordiniert.
Weitere Projektpartner sind die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, die Oberschule Uplengen, ROC Friese Poort, Innovam, Maritieme Academie und NHL Stenden.